Noch keine vier Wochen im Amt, und schon wird ein zentrales Wahlversprechen der Union – die Zurückweisung von Asylsuchenden an den Grenzen – vom Verwaltungsgericht Berlin kassiert. Die Abweisung somalischer Geflüchteter ohne individuelle Prüfung war rechtswidrig. Damit wird bestätigt, was viele Jurist*innen bereits im Wahlkampf betont hatten: Solche Zurückweisungen verstoßen gegen EU-Recht, das eine Einzelfallprüfung vorschreibt.
Die Maßnahme ist aber nicht nur rechtswidrig, sondern auch praktisch wirkungslos. Denn viele der Zurückgewiesenen versuchen schlicht am nächsten Tag erneut einzureisen – über andere Routen ohne stationäre Kontrollen. Zudem interessieren sich professionell organisierte Schleppernetzwerke kaum für stationäre Grenzkontrollen. Das Ergebnis: ein hoher Ressourceneinsatz der Polizei für populistische Symbolik. Wer wirklich Kommunen entlasten will, muss europäische Solidarität stärken und dafür sorgen, dass Asylverfahren fair und effizient überall in der EU durchgeführt werden – nicht selbst Europarecht brechen.
Besorgniserregend sind auch die politischen Reaktionen auf das erwartbare Urteil: Der neue Innenminister Dobrindt stellte sich danach demonstrativ hinter die Zurückweisungen. Zugleich versucht die Union, als Verteidigung vorzuschieben, dass dies Einzelfallentscheidungen seien. Es stimmt zwar formal, dass das Urteil sich auf drei Einzelfälle bezieht. Aber: das Gericht hat den Rechtsrahmen klar definiert anhand der vorliegenden Rechtslage, nicht anhand von Besonderheiten, diese Einzelfälle betreffend.
Zugleich ist das Gericht durch rechte Social Media Kampagnen und auch CDU-Parteikollegen des Innenministers massiven Anfeindungen ausgesetzt – ein gefährliches Zeichen. Der Angriff auf die Justiz durch radikalisierte Konservative ist damit auch in Deutschland angekommen.
Wir erleben, wie sich Teile des konservativen Spektrums von rechtsradikalen Positionen treiben lassen – bis hin zu der Bereitschaft, demokratische Institutionen zu beschädigen. Das Muster ist international bekannt: In Ungarn, Polen oder den USA arbeiten autoritäre Kräfte systematisch daran, die unabhängige Justiz zu entmachten und Deregulierungen zu erreichen, um ihre Macht zu entgrenzen. Denn zwischen Bürgerinnen und Bürgern und einer autoritären Machtergreifung steht in Demokratien der Rechtsstaat mit seiner unabhängigen Justiz.
Wenn wir so weitermachen und akzeptieren, dass sich Verwaltungen und Politiker nicht mehr an Recht und Gesetz halten, sind wir einen gefährlichen Schritt weiter in ein autoritäres System. Darum lasst uns klar benennen, was hier passiert. Es geht um unser aller Freiheit.
Ich bin froh, dass der Richterbund so klare Worte gefunden hat.
Wer Chaos verhindern will, braucht Rechtsstaatlichkeit, europäische Zusammenarbeit, Fluchtursachenbekämpfung und faire Asylverfahren – keine populistischen Scheinlösungen auf dem Rücken von Geflüchteten, der Polizei und Rechtsstaatlichkeit.