Beim 60-jährigen Jubiläum der Münchener Sicherheitskonferenz vom 16. – 18. Februar 2024 stand vor allem der Ukrainekrieg – der seit mittlerweile zwei Jahren stattfindet – im Gesprächsmittelpunkt. Leider wurde die Konferenz von der Nachricht von Alexei Nawalnys Tod und der russischen Eroberung von Awdijiwka überschattet. Diese Gräueltaten zeigen einmal mehr, dass Putin sich nicht aus eigener Motivation an den Verhandlungstisch setzen wird. Er muss real vor Augen haben, den Krieg zu verlieren, damit das passiert. Darum ist es umso bitterer, dass auf der Konferenz selbst noch keine gemeinsamen Schlüsse hervorgingen, etwa für eine bessere Koordinierung der europäischen Sicherheitsarchitektur der europäischen Nato-Achse.
Doch auch andere globale Herausforderungen wurden auf der MSC behandelt. Wir haben uns zum Beispiel mit der Kritik der Staaten des Globalen Südens am internationalen System beschäftigt, da viele Staaten zunehmend besorgt sind, dass sie weniger von internationaler Kooperation profitieren als andere. Während die Industriestaaten und viele reiche Schwellenländer den Ukrainekrieg verurteilen, verhalten sich die Staaten mit dem größten Teil der Weltbevölkerung neutral oder sogar russlandfreundlich – auch weil sich Russland absurderweise selbst als Speerspitze der Entkolonialisierungsbewegung profilieren will. Diese Entwicklung zeigt, dass die Wohlstandkonzentration im Globalen Norden das Misstrauen in die regelbasierte Ordnung verstärkt hat. Reiche Staaten haben den Globalen Süden während der Coronapandemie bei der Impfstoffproduktion und -verteilung und während des Ukrainekrieges bei den steigenden Lebensmittel- und Energiepreisen zu wenig unterstützt. Darum ist zum Beispiel die Kritik an der fehlenden Solidarität und Gerechtigkeit sowie an westlicher Doppelmoral (zum Beispiel angesichts des Umgangs mit Julian Assange) wenig überraschend und verständlich.
Darum kämpfen wir als Grüne auch schon seit langer Zeit dafür, die Vereinten Nationen zu reformieren und die Repräsentanz der Länder des globalen Südens zu stärken, auch bei der globalen Finanzarchitektur und Verfehlungen westlicher Außenpolitik (Irakkrieg, Verfehlungen beim Afghanistan-Einsatz und -abzug) ehrlich auszuwerten und daraus zu lernen.
Nur wenn wir unsere Unterstützung der Ukraine und die Verteidigung des Völkerrechts zusammendenken mit einer ehrlichen westlichen Selbstkritik, können wir die zivilisatorischen Errungenschaften der Vereinten Nationen weiterentwickeln und das Prinzip der regelbasierten globalen Kooperation verteidigen.
Es ist letztlich ähnlich wie mit der Verteidigung der Demokratie im Inland. Auch die schaffen wir nur, wenn alle Bürger*innen von demokratischen Regeln und Fortschritt einigermaßen gleichberechtigt profitieren. Darum dürfen wir auch nicht zulassen, dass die Steigerung der Ausgaben für unsere Sicherheit gegen soziale Sicherheit oder Klimaschutz ausgespielt werden. Vielmehr müssen wir durch eine Reform der Schuldenbremse mehr kreditfinanzierte Investitionen ermöglichen und uns ernsthaft mit einer gerechteren Besteuerung hoher Vermögen und Erbschaften beschäftigen.
Die aktuellen Zeiten sind nicht einfach. Darum darf man sie auch nicht beschönigen. Aber es gibt Lösungen für die Herausforderungen und für die müssen wir leidenschaftlich und verantwortungsbewusst eintreten.