Der 11. Juli 2025 war ein historischer – und erschütternder – Tag für unsere Demokratie. Drei Richter*innenposten am Bundesverfassungsgericht sollten neu besetzt werden. Die Kandidat*innen waren zwischen den demokratischen Fraktionen abgestimmt und vom Richterwahlausschuss vorgeschlagen worden. Doch im Bundestagsplenum hat die CDU/CSU die Wahl blockiert.
Damit hat die Union zum wiederholten Mal gezeigt, dass sie bereit ist, sich in den Dienst eines rechten Kulturkampfes zu stellen – sei es aus Verunsicherung und Orientierungslosigkeit oder aus voller Absicht. Früher gab es in der Union eine Führung, die verhindert hat, dass sich die Partei zum Steigbügelhalter der neuen Rechten macht. Diese Zeiten sind vorbei. Und das ist eine gefährliche Nachricht – für die Zusammenarbeit der demokratischen Fraktionen, für die Stabilität unserer Institutionen und für das Vertrauen in unser höchstes Gericht.
Verantwortung statt Machtspiele
Die Wahl von Verfassungsrichter*innen ist keine Nebensache. Sie betrifft eine Institution, die für Rechtsstaatlichkeit, Grundrechtsschutz und die Kontrolle politischer Macht steht. Wer diese Wahl parteitaktisch instrumentalisiert, beschädigt nicht nur das Ansehen des Gerichts – sondern greift an, was unsere Demokratie zusammenhält.
Verleumdung statt Verantwortung
Der Ablauf der letzten Tage ist ein Lehrstück in politischer Verrohung: Erst war die Union mit allen drei Personalvorschlägen einverstanden, dann unterstützte sie – aus durchschaubarem Kalkül – eine gezielte Kampagne gegen die Kandidatinnen. Besonders getroffen hat es die angesehene Rechtswissenschaftlerin Brosius-Gersdorf, die wegen ihrer liberalen Haltung im Abtreibungsrecht zur Zielscheibe wurde.
Den Tiefpunkt markierte ein Plagiatsvorwurf des berüchtigten Plagiatsjägers Stefan Weber – der, wie sich schnell herausstellte, schlicht falsch war: Die angebliche Quelle erschien erst nach der Dissertation. Doch obwohl Weber die Anschuldigungen rasch zurückzog, sprang die Union auf – und legitimierte damit eine Strategie der Diffamierung, wie sie sonst nur aus rechten Echokammern bekannt ist. Das ist einer demokratischen Partei nicht würdig.
Rechtes Playbook statt demokratischer Kompass
Was hier passiert, folgt einem Muster: dem Playbook der neuen Rechten. In Polen, Ungarn und den USA konnten wir beobachten, was passiert, wenn Gerichte systematisch diskreditiert und demokratische Verfahren entkernt werden. Die Methoden gleichen sich: Expertise wird als „aktivistisch“ verunglimpft, Verfassungsorgane werden als parteiisch geframet, Desinformation wird zur politischen Waffe.
Und wer gibt heute in der Union den Ton an? Nicht der Fraktionsvorstand, sondern das rechte Medienumfeld rund um Julian Reichelt und Nius. Wer sich davon treiben lässt, übernimmt nicht nur Narrative, sondern auch politische Ziele der extremen Rechten.
Jetzt braucht es Haltung und Konsequenz
Wir Grüne haben klar gemacht: Eine Wahl kommt für uns nur infrage, wenn eine demokratische Mehrheit steht. Auf unseren Druck hin wurde die Abstimmung heute vertagt – ein notwendiger Schritt, um weiteren Schaden abzuwenden. Vor der Sommerpause wird es keine Entscheidung mehr geben.
Jetzt liegt es an den demokratischen Fraktionen, eine Lösung zu finden, die das Gericht schützt – nicht schwächt. Vor allem müssen wir verhindern, dass diese Kampagne Erfolg hat. Denn wenn solche Diffamierungen Schule machen, wird künftig jede Richter*innenwahl zum Schauplatz rechter Mobilisierung. Und dann werden sich immer weniger qualifizierte Jurist*innen bereit erklären, sich dieser Schmutzkampagne auszusetzen.
Demokratie braucht Klarheit – nicht Taktik
Die AfD hat ein klares Ziel: demokratische Parteien gegeneinander auszuspielen, Polarisierung zu schüren und die Handlungsfähigkeit unserer Institutionen zu untergraben. Wer sich davon treiben lässt oder sich zum Werkzeug dieses Plans machen lässt, trägt Mitverantwortung für die Aushöhlung unserer Demokratie.
Deshalb braucht es jetzt Klarheit. In der Sache. In der Haltung. Und in der Verantwortung gegenüber unserem Grundgesetz.