Ein Jahr Krieg in der Ukraine

Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine läuft mittlerweile seit einem Jahr und Putin geht täglich brutal und ohne Rücksicht gegen die Menschen in der Ukraine vor. Unter diesem Krieg leidet vor allem die ukrainische Bevölkerung. Der Wille, sich gegen den Angriff zu verteidigen, ist bei der großen Mehrheit der Menschen in der Ukraine ungebrochen. Das liegt auch daran, dass die russische Armee in den besetzten Gebieten äußerst brutal gegen Zivilist*innen vorgeht, Kinder verschleppt, Frauen vergewaltigt und normale Zivilbevölkerung gefoltert und exekutiert wird. Die Menschen in der Ukraine verteidigen sich, um ihre politische Selbstbestimmung zu wahren und ihre Bevölkerung vor dem brutalen Machthaber Putin zu schützen.

Als Bundesregierung unterstützen wir gemeinsam mit unseren europäischen und internationalen Partnern die Ukraine finanziell, militärisch und humanitär. Seit Beginn des Krieges greift Putin immer wieder zivile Infrastruktur an und nimmt damit den Ukrainer*innen ihre Lebensgrundlagen. Um die Menschen vor Ort nicht im Stich zu lassen, unterstützt Deutschland vor allem auch im humanitären Bereich. Die humanitäre Hilfe für die Ukraine betrug 2022 insgesamt 12,5 Milliarden Euro, Geld mit dem beispielsweise ein umfangreiches Winterhilfsprogramm finanziert werden konnte.

Außerdem leisten wir und unsere Partner*innen auch militärische Unterstützung, weil der ukrainischen Bevölkerung ein völkerrechtlich verbrieftes Recht auf Selbstverteidigung zusteht und zum anderen, weil es in unserem eigenen sicherheitspolitischen Interesse ist, Putins Angriff auf die europäische Friedensordnung zu stoppen. Dieser völkerrechtswidrige Angriffskrieg zeigt, dass Putins Regime die Ankündigung ernst meint, den Zerfall der Sowjetunion rückgängig zu machen und die Grenzverläufe im Europa des 21. Jahrhunderts in Frage zu stellen. Das gefährdet auch viele weitere postsowjetische Länder in ihrer politischen Selbstbestimmung und bedeutet eine enorme Destabilisierung unseres Kontinents.

Wenn Putin diesen Krieg gewinnt, wären die internationalen Lehren fatal. Das würde bedeuten, dass Autokraten ohne nennenswerten Widerstand einfach Grenzen mit Gewalt verschieben könnten. Das hätte eine enorme Aufrüstungsspirale in allen weiteren postsowjetischen Ländern zur Folge, die ihre politische Selbstbestimmung bedroht sehen. Andererseits hätten ein Einstellen der militärischen Unterstützung für die Ukraine und ein Sieg Putins zur Folge, dass sie nicht nur dafür bestraft würde, sich der EU angenähert zu haben, sondern auch ihre Atomwaffen abgegeben zu haben.

Darum bin ich gerade als Person, die eine pazifistische Weltordnung zum Ziel hat (in der nukleare Abrüstung wieder eine Chance hat) dafür, die Ukraine in diesen Angriffskrieg auch militärisch zu unterstützen. Denn: im Falle eines Erfolgs von Putin, hätte die Methode Gewalt Erfolg. Das darf nicht passieren. Stattdessen muss klar sein, dass sich dieser Krieg nicht lohnt.

Natürlich werden auch diplomatische Initiativen weiterhin angestoßen. Am 23.02.2023 – ein Tag vor dem schrecklichen Jahrestag – haben sich insgesamt 141 Staaten bei der Generalversammlung der Vereinten Nationen gegen den Krieg ausgesprochen. Ein starkes Signal an Russland, das die Isolierung dieses Landes umso deutlicher aufzeigt. Darauf hatte Außenministerin Annalena Baerbock hingearbeitet, indem sie mit vielen Staaten Gespräche führte, insbesondere mit z.B. Brasilien, der Türkei und Serbien. Außerdem hat die Generalversammlung einen Friedensplan vorgelegt, der auf den Grundsätzen der UN-Charta basiert. Das waren diplomatische Bemühungen der Weltgemeinschaft, diesen Krieg endlich zu beenden.

Doch all diese Versuche scheitern an den russischen Vertreter*innen. Ein Beispiel dafür, dass die russischen Politiker*innen nicht für Verhandlungen bereit sind, ist ihr Auftreten bei internationalen Konferenzen. Erst vor zwei Wochen verließ der russische Botschafter während der Rede von Annalena Baerbock bei der Sondersitzung des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen zur Wahrung des Friedens und der Sicherheit der Ukraine den Saal. Auch im letzten Jahr hatte die russische Delegation oftmals nach der eigenen Rede Konferenzen vorzeitig verlassen, ohne sich die Gegenseite anzuhören. Nach einer Initiative Chinas für Verhandlungen und Waffenruhe hat der Kreml klargestellt, sich nicht auf Verhandlungen einzulassen. Dieses Verhalten spiegelt Russlands fehlenden Willen für eine diplomatische Lösung wieder. Wir müssen nun darauf hinarbeiten, dass sich diese Haltung verändert. Das gelingt zum einen durch eine Unterstützung der Ukraine. Zum anderen gelingt es durch einen Zusammenschluss all derer, die eine friedliche und regelbasierte Ordnung anstreben, gegen diesen Krieg. Die gemeinsame Verteidigung der Stärke des Rechts muss im Zentrum stehen, nicht ein neuer Ost-West-Konflikt.

Der diplomatische Austausch und die Prävention von Krisen müssen immer Priorität haben und der Einsatz militärischer Mittel darf immer nur allerletztes Mittel sein. Leider hat sich Putin entschieden, mit roher Gewalt seine Machtfantasien durchzusetzen und lässt sich bisher auf keine Gespräche ein. Das ist die Realität, mit der wir uns leider befassen müssen, auch wenn wir uns alle eine andere Realität wünschen würden. Auch der ukrainische Präsident hat schon mehrfach betont, dass er ein Ende des Krieges möchte und sogar konkrete Verhandlungen vorgeschlagen. Aber Verhandeln braucht es immer mindestens zwei Seiten.

Was angesichts des völkerrechtlich verbrieften Rechts auf Souveränität und Selbstbestimmung der Völker auf keinen Fall passieren darf ist, dass andere Länder mit Russland zusammen über die Ukraine verhandeln, ohne dabei die Ukraine mit einzubeziehen. Denn die Ukraine ist ein eigenständiges Land, deren Souveränität gewahrt bleiben muss.

Die deutsche Bevölkerung zeigt sich auch nach einem Jahr Krieg in der Ukraine noch solidarisch. Gerade die Bereitschaft ukrainische Geflüchtete aufzunehmen ist weiterhin hoch. Zu Beginn des Krieges haben viele Bürger*innen ukrainische Geflüchtete bei sich zuhause aufgenommen, da es nicht genug Unterkünfte für diese gab. Die große Hilfsbereitschaft hat mich sehr beeindruckt. Aber auch die Sanktionen gegen Russland und die Lieferung von Waffen werden von der Mehrheit der Bürger*innen unterstützt (Quelle: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1312216/umfrage/umfrage-deutsche-ukraine-politik/ ). Verständlicherweise gibt es auch Stimmen in der Bevölkerung, die zu Waffenstillstand und Friedensverhandlungen aufrufen. Wir alle wollen Frieden. Wir alle möchten, dass dieser schreckliche Krieg endet. Doch im Moment ist es nicht möglich, den Kriegsverbrecher Putin dazu zu bringen, die Waffen schweigen zu lassen, ohne dass die Ukraine sich selbst aufgeben muss. Hier darf man die pazifistische Zielsetzung nicht mit der pazifistischen Methode verwechseln.

Trotzdem setzen wir uns weiterhin für eine diplomatische Lösung des Konflikts ein, denn der Krieg wird letztlich nur durch Diplomatie beendet werden. Vorher muss Putin allerdings ein intrinsisches Interesse entwickeln, sich an den Verhandlungstisch zu setzen. Bisher gehen wir davon aus, dass er das nicht von selbst entwickeln wird, sondern nur durch diplomatische Isolation und eine wehrhafte Ukraine.

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