Am 08. Juni wurde eine umfassende Reform der europäischen Asylpolitik (GEAS) beschlossen. Leider beinhaltet die Ratsposition, die seitens der Bundesregierung federführend von Nancy Faeser verhandelt wurde, keine Verbesserungen. Es sind vor allem Scheinlösungen, die Leid und Chaos verstetigen. Trotzdem spricht Nancy Faeser von einem großen Erfolg der deutsche Kommunen entlaste.
Das ist aber eine steile These und zeigt, wie populistisch unser flüchtlingspolitischer Diskurs mittlerweile geführt wird. 80% der Menschen, die in deutschen Kommunen als Flüchtlinge aufgenommen werden, kommen aus der Ukraine. Ein schnelles Ende des fürchterlichen Kriegs und ein erfolgreicher Wiederaufbau der Ukraine wären die wichtigsten Maßnahmen, um die Kommunen zu entlasten.
Klar würde trotzdem eine fairere Verteilung die Kommunen in Deutschland, wo mehr Menschen aufgenommen werden als in anderen EU-Staaten, entlasten. Aber im Rahmen der GEAS-Reform wurde der dringend benötigte verpflichtende Verteilmechanismus wieder nicht durchgesetzt. Die Aufnahmen erfolgen weiterhin freiwillig.
Zwar müssen Staaten, die niemanden aufnehmen, sich aus der solidarischen Aufnahme rauskaufen. Aber Anreize, die Aufnahmekapazitäten in anderen Ländern zu steigern, gibts kaum. Denn das Geld geht nicht an die aufnehmenden Kommunen weiter, um diese zu unterstützen, sondern kann auch in rechtsstaatlich kaum kontrollierte Abschottungsmaßnahmen fließen (z.B. die Milizen der lyrischen Küstenwache, die Schutzsuchende abfangen und sie in lybischen Foltergefängnisse internieren und teils versklaven). Hier ist europäisches Steuergeld sicher nicht im Sinne „europäischer Werte“ angelegt.
Mit den Vereinbarungen werden die Bedingungen an den Außengrenzen weiter verschlechtert, durch zusätzliche Inhaftierungsmöglichkeiten in den verpflichtenden Grenzverfahren, eine Verschlechterung des Rechtsschutzes und der Schwächung der UN-Kinderrechtskonvention und der Genfer Flüchtlingskonvention bedeuten. Denn: auch Kinder und Familien können interniert werden. Außerdem können nach der Vorprüfung Abschiebungen in so genannte „sichere Drittstaaten“ geleistet werden, in denen nicht einmal die Genfer Flüchtlingskonvention Standard sein muss.
Durch die Verschlechterung der Bedingungen und die mangelnden Kapazitäten an den Außengrenzen, wird es weiterhin irreguläre Sekundärmigration nach Deutschland geben. Der jetzt vorliegenden GEAS-Reform hätte die Bundesregierung meiner Meinung nach nicht zustimmen dürfen. Denn für eine erfolgreiche und humanitäre Flüchtlingspolitik müssen die Ursachen von Leid und Chaos bekämpft werden, nicht die Geflüchteten selbst.
Es ist für mich als Parlamentarierin, die 9 Wochen lang an einem Koalitionsvertrag gearbeitet hat, völlig inakzeptabel, dass die evidenzbasierten und lösungsorientierten Maßnahmen aus dem Koalitionsvertrag der Ampel nicht einmal die Grundlage für Nancy Faesers Verhandlungsposition dargestellt hat. Denn Anreize für die Aufnahme durch Förderung aufnahmebereiter Kommunen, Stärkung der Rechtsdurchsetzung und eine verpflichtende Verteilung war nicht einmal Teil der Verhandlungsposition.
Man fragt sich, wieso man fachpolitische Arbeit in einen Koalitionsvertrag investiert, wenn das Innenministerium dann in den Verhandlungen diese Position ignoriert. So etwas muss Konsequenzen haben. Darum habe ich auch öffentlich diese Entscheidung kritisiert und werde die weiteren Verhandlungen kritisch begleiten.
Bis jetzt ist es nur eine Position der EU-Mitgliedsstaaten, es gibt also noch keinen finalen Beschluss. Im weiteren Verlauf müssen sich der Rat, das Parlament und die Kommission der EU im Trilogverfahren einigen. Hier muss es noch viele Verbesserungen geben, sonst ist die Reform nicht zustimmungsfähig.
Natürlich ist eine Reform mit so vielen schwierigen Regierungen zu finden nicht einfach. Aber viele Länder schauen sehr auf Deutschland und haben ihre Stimme von unserer Bundesregierung abhängig gemacht. Es gilt, alles dafür zu tun, einen Durchmarsch der populistischen Scheinlösungen zu verhindern. Gerade jetzt, in dieser Zeit. Hier sehe ich auch eine historische Verantwortung einer deutschen Bundesregierung. Es braucht eine gut organisierte politische Macht, die Resilienz aufbaut gegen rechtspopulistische Stimmungsmache und die klar und unerschütterlich zum Völkerrecht steht. Nur dann können wir Putin und Autokraten dieser Welt beeindrucken. Nur wer Haltung hat, kann anderen Halt geben.
Außerdem: wer Scheinlösungen für Gold verkauft, stärkt immer die Demokratiefeinde, die von falschen Versprechungen nach demokratischen Beschlüssen profitieren. Auf sowas darf man sich nicht einlassen. Gerade die Demonstration in Erding und all die Debatten zum Heizungsgesetzt haben doch gezeigt: es braucht Parteien, die die Brandmauer zum populistischen Wahnsinn halten. Und ich will, dass meine Partei in diesem Sinne handelt.