Warum fordern die Grünen eine Reform der Schuldenbremse?
Die Schuldenbremse hat in den vergangenen 15 Jahren zwar die Neuverschuldung klein gehalten, dafür aber einen Investitionsstau bei der Infrastruktur, der Digitalisierung und Transformation unserer Wirtschaft verursacht, so dass die Kosten in die Zukunft verlagert wurden.
Die Schuldenbremse verhindert notwendige Investitionen in Infrastruktur, Klimaschutz, Digitalisierung und auch zukunftsorientierte Sicherheitspolitik. Das Problem liegt darin, dass ein Großteil der deutschen Politik das Hauptziel der Finanzpolitik in der Kontrolle der Staatsschulden sieht, anstatt Schulden als ein Mittel für eine bessere Finanzpolitik zu betrachten. Anstatt Schulden grundsätzlich zu verteufeln, soll diese Regel dahingehend reformiert werden, dass sie langfristige und zukunftsweisende Investitionen ermöglicht. Ohne die Last auf künftige Generationen zu verlagern.
Warum schlägt Friedrich Merz nach der Wahl vor, so viele neue Schulden aufzunehmen?
Spätestens seit dem Ampel-Aus war klar, dass es ein massives Finanzierungsproblem im Bundeshaushalt durch die Schuldenbremse gibt. Merz hat diesen Sachverhalt ignoriert und bewusst geleugnet. Die Union hat jahrelang notwendige Investitionen mit Verweis auf die Schuldenbremse blockiert. Nun geht es ihnen um kurzfristige Projekte, nicht um eine notwendige langfristige Transformation. Die Grünen kritisieren diese Inkonsequenz und wir fordern, Schulden gezielt in Klima, Bildung und Innovation zu stecken.
Warum stimmen die Grünen dem Paket von SPD und CDU nicht einfach zu? Sind die Grünen einfach nur beleidigt?
Wir lehnen die vorgelegten Vorschläge nicht aus parteitaktischen, sondern inhaltlichen Gründen ab. Wir kritisieren, dass sie an einer grundlegenden, zukunftsorientierten Finanzpolitik vorbeigehen. Das Vorhaben der Union und SPD setzt weiterhin auf kurzfristige Defizitfinanzierung, ohne die strukturellen Probleme der Schuldenbremse zu beheben. Insbesondere fehlt eine Perspektive, die zusätzliche Investitionen in absolut notwendige Zukunftsbereiche wie Schulen, Kitas und nachhaltige Energieversorgung fördert und eine sozial gerechte und generationengerechte Lastenverteilung sicherstellt.
Warum ist der Plan nicht generationengerecht?
Der Plan von Union und SPD finanziert Verteidigungsausgaben über Schulden, ohne zu klären, wie die Finanzierung gerecht verteilt wird. Ohne Gegenfinanzierung durch progressive Steuereinnahmen oder Wachstum werden die Kosten auf kommende Generationen abgewälzt.
Generationengerechtigkeit bedeutet, Schulden auch für eine nachhaltige Transformation einzusetzen, für Zukunftsinvestitionen wie Klimaschutz oder Bildung. Der aktuelle Plan ignoriert diese Notwendigkeit.
Was bedeutet der Vorschlag der Union und SPD für die Verteilungsgerechtigkeit?
Das Sondierungspapier von Union und SPD entlastet vor allem Besserverdiener*innen, etwa durch eine Senkung der Unternehmensteuer. Gleichzeitig sollen hohe Kredite für Sicherheit und Infrastruktur aufgenommen werden, ohne klare soziale und nachhaltige Leitlinien.
Alle Steuerzahler*innen müssen für diese Mindereinnahmen aufkommen, während Wohlhabende weiter von Steuerprivilegien profitieren. Das könnte langfristig das Risiko für Sozialkürzungen steigern, obwohl es eine gerechte Finanzierung des Gemeinwohls braucht.
Die Grünen fordern stattdessen eine faire Lastenverteilung durch eine Reform der Erbschaftsteuer für große Betriebsvermögen, die Wiedereinführung der Vermögensteuer und eine höhere Reichensteuer. So können Bildung, Klimaschutz und bezahlbarer Wohnraum gesichert werden. Finanzielle Gerechtigkeit heißt, Schulden gezielt für Zukunftsinvestitionen nutzen, statt Sozialabbau zu riskieren.
Worin unterscheidet sich das Sondervermögen Infrastruktur von Habecks Vorschlag eines Sondervermögens namens „Deutschlandfonds“ aus dem grünen Wahlprogramm?
Das Sondervermögen Infrastruktur von SPD und Union fokussiert sich rein im Titel auf das Thema Infrastruktur, ohne sicherzustellen, dass es sich um zusätzliche Investitionen handelt. Es könnte auch für andere Zwecke genutzt werden.
Der Deutschlandfonds aus dem grünen Wahlprogramm hingegen ist ein dauerhafter Investitionsmechanismus, der durch eine Reform der Schuldenbremse regelmäßig aufgestockt werden kann. Er setzt klare Kriterien der Zukunftsorientierung an und fördert zukunftsfähige Infrastruktur, Klimaschutz, Innovation und Industrie auf dem Weg Richtung Klimaneutralität. Ziel ist eine umfassende ökologische, soziale und wirtschaftliche Transformation zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands.
Was ist der Unterschied zwischen einem Sondervermögen und einer Schuldenbremsenreform?
Ein Sondervermögen ist ein eigens eingerichteter Fonds, der für konkrete Investitionen genutzt werden kann. Es wird getrennt vom regulären Staatshaushalt geführt und ist ein spezifisches Finanzierungsinstrument. Bei der Schuldenbremsenreform geht es darum, die grundsätzlichen fiskalischen Regeln zu ändern, um eine flexiblere und langfristig orientierte Finanzpolitik zu ermöglichen.
Warum bringen die Grünen einen eigenen Gesetzesentwurf ein und was beinhaltet der?
Wir Grüne wollen die kurzfristige Mobilisierung von Geldern für Sicherheit und die Ukraine von der langfristigen Debatte über Haushaltsspielräume trennen. Eine umfassende Reform der Schuldenbremse für Klimaschutz und Infrastruktur soll in der nächsten Legislaturperiode erfolgen. So eine weitreichende Änderung darf nicht überstürzt innerhalb von einer Woche mit den Mehrheiten des alten Bundestages beschlossen werden.
Da ein Sondervermögen die langfristige Finanzierung sicherheitspolitischer Aufgaben nicht abdeckt, sieht der Gesetzentwurf eine gezielte Lockerung der Schuldenbremse vor: Verteidigungsausgaben, die 1,5 % des BIP überschreiten, würden nicht auf die Schuldenbremse angerechnet. Dies schafft mehr fiskalischen Spielraum, hält aber den Druck auf eine umfassendere Reform aufrecht.
Was meinen die Grünen mit “Gesamtverteidigung” – geht es da nicht wieder nur um Militär?
Mit „Gesamtverteidigung“ meinen wir einen umfassenden Sicherheitsansatz, der weit über rein militärische Ausgaben hinausgeht. Neben der klassischen Rüstungspolitik umfasst dieser Begriff auch den Schutz der kritischen Infrastruktur, Cyberabwehr, wirtschaftliche Sicherheit, die Unterstützung für völkerrechtswidrig angegriffene Staaten, Maßnahmen der Auslandshilfe im Krisenfall, die Stärkung internationaler Organisationen zur Friedenssicherung und der Schutz der Zivilbevölkerung. Ziel ist es, die Gesellschaft als Ganzes gegen vielfältige Bedrohungen resilient zu machen. Die Begrenzung von Union und SPD auf die Bundeswehr ist zu eng, um den gesamten verteidigungs- und sicherheitspolitischen Herausforderungen gerecht zu werden.
Was passiert, wenn eine Einigung in dieser Wahlperiode scheitert?
Union und SPD können sich auf Dinge verständigen, wie sie das möchten. Unsere Zustimmung für eine Grundgesetzänderung hängt davon ab, ob sie tatsächlich Zukunftsinvestitionen ermöglicht. Unsere Zustimmung für mehr Investitionen gibt es nur, wenn es tatsächlich um mehr Investitionen geht in Klimaschutz und in die Wirtschaft. In der nächsten Wahlperiode gibt es im Bundestag die Mehrheiten für eine strukturelle und gute Reform der Schuldenbremse. Auch die Linke hat dafür schon ihre Zustimmung signalisiert. Es gibt eine Möglichkeit für eine ordentliche Reform der Schuldenbremse mit Union, SPD, BÜNDNIS 90/Die Grünen und Linke. Dafür stehen wir zur Verfügung. Bis dahin hätte eine Bundesregierung auch die Möglichkeit, die Schuldenbremse per Notlagenbeschluss auszusetzen mit einfacher Mehrheit. Eine Handlungsfähigkeit wäre also erstmal sichergestellt, auch wenn keine schnelle Einigung zustande kommt.