Die 5 häufigsten Mythen zur humanitäre Krise an der griechisch-türkischen Grenze

Mythos 1: Es ist ‚in Ordnung‘ das Recht auf Asyl in Griechenland vorübergehend auszusetzen“. (Horst Seehofer)

→ Das Gebot der Nicht-Zurückweisung der Genfer Flüchtlingskonvention legt fest, dass niemand in ein Land geschickt werden darf, in dem sein Leben oder seine Freiheit bedroht ist (Non-Refoulement-Gebot in Art. 33 der Genfer Flüchtlingskonvention). Daher darf nach dem Völkerrecht keine asylsuchende Person zurückgeschickt werden, bevor ihr Anspruch auf Schutz individuell geprüft worden ist.

Mythos 2: „Nach dem letzten Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte dürfen Schutzsuchende ohne individuelle Asylprüfung zurückgewiesen werden.

→ Nein. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat erst im Februar geurteilt, dass Staaten stets einen effektiven Zugang zu ihrem Asylverfahren sicherstellen müssen, insbesondere an der Grenze. 

Mythos 3: „Jetzt braucht es erstmal Solidarität mit Griechenland, keine Schuldzuweisungen innerhalb der EU.“

→ Griechenland wurde von den restlichen EU-Staaten bei der Aufnahme von Flüchtlingen und mit überfüllten Lagern jahrelang alleine gelassen. Die Situation hat sich vor unser aller Augen immer weiter zugespitzt. Die EU-Mitgliedsstaaten haben versagt, sich auf eine faire Verteilung von Flüchtlingen und der Durchführung von Asylanträgen zu einigen. Wahre Solidarität mit Griechenland würde bedeuten, endlich eine neue Vereinbarung für die Verteilung zwischen aufnahmebereiten Staaten zu initiieren. 

Lob für systematische Rechtsbrüche und die Aushebelung von Rechtsstaatlichkeit kann sogar eher die Pogromstimmung in Teilen der Bevölkerung weiter anheizen. Das wird der griechischen Regierung weder kurzfristig, noch langfristig helfen, geordnete Zustände wiederherzustellen.

Schon ohne einen neuen Anlauf für einen Verteilungsschlüssel könnten die EU-Staaten vulnerable Gruppen sofort zu evakuieren und gemäß eines Notfallplans nach Art. 78 (3) der Europäischen Verträge auf aufnahmebereite Mitgliedsländer und Kommunen verteilen. Viele haben dies längst angeboten.

Mythos 4: „Erdogans Erpressungsversuch kann mit gewaltsamen Maßnahmen gegen Flüchtlinge gekontert werden.

→ Es war Teil Erdogans Strategie, Chaos zu stiften. Er hat genau die krisenhaften Szenen und Bilder bekommen, die er haben wollte. Es kann nicht im europäischen Interesse sein, dass die EU aufgrund einiger tausend Geflüchteter an der Grenze in einen Krisenzustand verfällt und rechtliche Errungenschaften über Bord geworfen werden. Registrierung, Sicherheitscheck, Asylprüfung in verschiedenen EU-Staaten – das wäre die vernünftige und rechtsbasierte Antwort der Europäischen Union, die Chaos verhindert. Solange Erdogan aber weiß, dass seine Erpressungsstrategie aufgeht, wird er sich auch in seiner aggressiven Außenpolitik bestätigt sehen.

Mythos 5: „Mehr Sicherheitskräfte an der Grenze bedeuten weniger Flüchtlinge“

→ Rechtsstaatliche Grenzschutzmaßnahmen von europäischen oder mitgliedsstaatlichen Sicherheitsbehörden (Frontex oder die griechische Küstenwache) kontrollieren die Grenze, werden aber nicht einzelne Asylsuchende ohne individuelle Prüfung ihres Asylgesuchs zurückweisen. Die erhöhte Präsenz von Frontex wird weder dafür sorgen, dass weniger Menschen fliehen müssen, noch dazu beitragen, dass weniger Menschen Asylanträge stellen. Wir sollten ehrlich mit den Tatsachen arbeiten und falschen Erwartungen vorbeugen. Alles andere ist ein Konjunkturprogramm für rechte Propaganda.

 

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