Ablehnung des Klimaschutzgesetzes – Persönliche Erklärung

Persönliche Erklärung der Abgeordneten Jamila Schäfer gemäß § 31 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestags zur Abstimmung über die Reform des Klimaschutzgesetzes, Drucksache 20/8290

Das seit 2019 geltende Klimaschutzgesetz ist ein wesentlicher Bestandteil, um Deutschlands völkerrechtlichen Verpflichtungen aus dem Pariser Klimaabkommen 2015 nachzukommen. Mit diesem Gesetz wurden die deutschen Klimaziele erstmals rechtsverbindlich festgehalten.

Das grundlegende Klimaschutz-Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2021 führte zu einer Nachschärfung des Klimaschutzgesetzes von 2019. Das Bundesverfassungsgericht hielt das Gesetz für teilweise verfassungswidrig, da die Verantwortung zur Umsetzung konkreter Klimaschutzmaßnahmen unzulässig in die Zukunft verschoben und dadurch die Freiheitsrechte jüngerer Generationen verletzt würden.

Die damalige Bundesregierung reagierte auf das Urteil mit einer Novellierung des Klimaschutzgesetzes und einer Festlegung strengerer Emissionsziele. So wurde das Ziel für die Reduzierung der Treibhausgasemissionen von 55% auf 65% bis 2030 im Vergleich zu 1990 erhöht. Außerdem wurde das Ziel der Klimaneutralität von 2050 auf 2045 vorgezogen. Das überarbeitete Klimaschutzgesetz umfasst detailliertere Vorgaben und Maßnahmen für die einzelnen Sektoren wie Energie, Verkehr, Industrie und Gebäude, um die festgelegten Emissionsziele zu erreichen. Dies beinhaltet auch jährliche Emissionsmengen, die nicht überschritten werden dürfen. Somit führte das Urteil auch zu einer stärkeren Transparenz bei der Umsetzung und Überwachung von sektorspezifischen Klimaschutzmaßnahmen. Es gibt seit der Novelle 2021 nun klarere Vorgaben im Klimaschutzgesetz, wie die Fortschritte zu dokumentieren sind und welche Konsequenzen bei Nichteinhaltung der Ziele entstehen.

Im Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP von 2021 wurde sich auf eine Weiterentwicklung des Klimaschutzgesetzes verständigt (Koalitionsvertrag 2021: S. 54). Schon dort wurde vereinbart, dass die Einsparziele in Zukunft sektorübergreifend betrachtet werden. Gleichzeitig wurden auch dort Maßnahmen wie der Klimacheck und auch der Beitrag aller Sektoren für den Klimaschutz vereinbart, der vor allem im Verkehrsbereich leider bisher nicht erfolgt. Ein Teil dieser Passagen aus dem Koalitionsvertrag soll nun also mit der erneuten Novelle des Klimaschutzgesetzes umgesetzt werden, während andere für den Klimaschutz wichtige Passagen des Vertrages noch nicht umgesetzt sind. Aus meiner Sicht führt eine Novelle des Klimaschutzgesetzes ohne die ausreichend ambitionierte Anstrengung der verantwortlichen Sektoren sicherzustellen, zu einer Schieflage zu Lasten des Klimaschutzes.

Seit dem 09. April 2024 gibt es nun ein neues umfassendes Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) zum Klimaschutz. Der EGMR stellt darin fest, dass Klimaschutz ein einklagbares Menschenrecht ist und dass es eine Pflicht zur sorgfaltsgemäßen Aktualisierung der Klimaschutzziele auf der Grundlage von nationalen Treibhausgas-Budgets gibt. Dieses Urteil ist auch für Deutschland unmittelbar bindend. Dieses neue Urteil des EGMR wird bei der vorliegenden Novelle des Klimaschutzgesetzes nicht ausreichend berücksichtigt.

Mit der Verpflichtung zu einer sorgfaltsgemäßen Aktualisierung der Klimaschutzziele und des Kohlenstoffbudgets legt der EGMR sogar noch einen strengeren Maßstab zugrunde als das BVerfG, das den Spielraum des Gesetzgebers bei der Begrenzung der Gesamtemissionsmengen bisher weiter zog.

Aus meiner Sicht bestehen nicht nur Zweifel an der Klimaschutzwirkung des Gesetzes, sondern auch an der Rechtssicherheit des neuen Klimaschutzgesetzes angesichts der Urteile von EGMR und Bundesverfassungsgericht.

Mit der hier vorliegenden Gesetzesänderung des Klimaschutzgesetzes wird das nächste Klimaschutzprogramm erst 2026, die nächste Nachsteuerung der Klimaschutzmaßnahmen nach allen vorliegenden Erkenntnissen frühestens auch 2026 fällig und das nur unter der Voraussetzung, dass die Projektion sowohl 2025 als auch 2026 verfehlt wird. Damit verringert sich der Druck auf die Bundesregierung und den Gesetzgeber in den nächsten sechs Jahren konkrete Nachsteuerungen vorzunehmen. Zu befürchten ist, dass der Pfad der notwendigen CO2-Reduktionen hinsichtlich der europäischen Klimaschutzziele weniger schnell erreicht und sich die Bugwelle der aufgestauten CO2-Emissionen sich noch größer auftürmen wird. Das entspricht nicht meiner Auffassung einer generationengerechten Politik.

Bei der Anhörung zum Klimaschutzgesetz am 8. November 2023 wurde von den Sachverständigen bereits die grundsätzlich bestehende mangelhafte Überführung der Reduktionsziele in das Klimaschutzgesetz angemahnt. Dieser Kritikpunkt wird mit der Novelle nicht beseitigt. Durch das Entfallen der verpflichtenden sektorspezifischen Sofortprogramme wird die Situation eher verschärft. Der Druck auf die bisher zu wenig ambitionierten Sektoren wird mit der Novelle eher abgesenkt.

Gerade mit Blick auf das Verkehrsministerium halte ich es für falsch, weniger ambitionierte Minister*innen aus der Verpflichtung zu entlassen, in dieser Legislaturperiode konkrete Maßnahmen zur Umsetzung der sektorspezifischen Klimaziele vorzulegen. Denn es gilt zu bezweifeln, dass sich durch diese Novelle die Ambitionen verstärken, die notwendigen Maßnahmen im Verkehrsbereich schneller anzugehen. Es ist eher von einer gegenteiligen Wirkung auszugehen. Gerade im Verkehrssektor wären aber mehr Ambitionen dringend geboten, um die Auswirkungen der Klimakrise zu mildern.

Positiv hervorzuheben ist, dass dank des Einsatzes meiner Fraktion in der Novelle zumindest die Nachsteuerung auch für das 2040-Ziel verbindlich festgeschrieben wird. Mein Dank gilt allen, die angesichts der schwierigen Ausgangsbedingungen in den Verhandlungen noch Verbesserungen zumindest im Vergleich zum Kabinettsentwurf durchsetzen konnten.

Wir Grünen haben in Regierungsverantwortung in den letzten zweieinhalb Jahren viel für den Schutz unseres Klimas geleistet. Es reicht aber nicht, wenn nur einzelne Ministerien Klimaschutzmaßnahmen umsetzen. Wenn wir die Klimaziele erreichen wollen, müssen alle verbindlich ihren Beitrag leisten. Wer sich als Minister dem verweigert, muss dafür zur Verantwortung gezogen werden, notfalls vor Gericht. Ich möchte das Klimaschutzgesetz nicht um diese Stärke berauben und habe mich daher entschieden, der Änderung des Gesetzes nicht zuzustimmen.

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