Taurus und der Abhörskandal der Bundeswehr

Im März 2024 gab es mehrere kontroverse sicherheitspolitische Diskussionen, insbesondere über Scholz‘ Ablehnung von Taurus-Lieferungen an die Ukraine und die Sicherheitslücke der Bundeswehr.

Die Ukraine bat wiederholt um die Lieferung von Marschflugkörpern, um russische Militärinfrastruktur präziser zerstören zu können. Diese Waffen könnten den Krieg verkürzen und die Verteidigungsfähigkeit der Ukraine stärken, ohne hohe zivile Opfer zu fordern. Frankreich und Großbritannien haben der Ukraine bereits solche Waffen geliefert (Typ Storm Shadow). Olaf Scholz hat kurz nach der Münchner Sicherheitskonferenz die Lieferung von den in Deutschland produzierten Taurus-Marschflugkörpern kategorisch ausgeschlossen. Er hat es mit dem Argument begründet, dass Deutschland nicht Kriegspartei werden dürfe.

Das war für uns überraschend: in den Briefings zu den technischen Details zur Lieferungsvoraussetzung wurde aufgezeigt, dass es zwar technische Herausforderung gibt, die Lieferung und einen anschließenden Einsatz ohne Beteiligung von Bundeswehrsoldaten vor Ort zu ermöglichen, aber es dafür verschiedene Lösungen gibt. Der Kanzler schloss diese Optionen nun kategorisch aus. Darüber hinaus brachte er die technische Lösung, die die Briten und Franzosen für ihre Lieferung gefunden hatten, in Verruf. Daraufhin war die Empörung bei unseren europäischen Partnern natürlich groß.

Es war außerdem überraschend, dass wir erst in der letzten Sitzungswoche im Februar einen sehr guten Antrag mit SPD und FDP gemeinsam beschlossen hatten, indem wir ohne dieses explizite Waffensystem zu nennen uns grundsätzlich für die Lieferung von weitreichenden Systemen und Munition ausgesprochen hatten. So soll der Ukraine ermöglicht werden, völkerrechtskonforme und strategisch relevante Ziele weit im rückwärtigen Bereich zum Zweck der Selbstverteidigung anzugreifen. Klar war damit zumindest, dass sich der Bundessicherheitsrat, bestehend aus Kanzler, Außenministerin, Innenministerin, Verteidigungsminister und Wirtschaftsminister, mit der Auslegung dieser Formulierung beschäftigen muss. Denn nur dieser Bundessicherheitsrat und nicht der Bundestag können diesen formalen Beschluss zur Lieferung treffen. Und klar war damit auch, dass wir unsere Verbündeten für die Lieferung von Storm Shadow nicht kritisieren, weil wir solche Systeme zu liefern grundsätzlich in dem Antrag begrüßt haben. Aber: statt das Thema auf die Tagesordnung des formal zuständigen Gremiums zu setzen, erklärte Scholz das Thema einfach für beendet und gab auch noch unseren Verbündeten einen mit.

Brisanterweise wurde dann kurze Zeit später von russischer Seite eine abgehörte Webex Konferenz mehrerer hochrangiger Bundeswehroffiziere veröffentlicht, die die Informationslage des Bundestags über die Möglichkeiten Taurus, ohne eine direkte Kriegsbeteiligung zu liefern, eigentlich bestätigt: es ist kompliziert, aber möglich. Ziel der ganzen Aktion durch den Kreml war es aber natürlich nicht, Scholz zu widerlegen, sondern den Kanzler von der Lieferung der Taurus-Marschflugkörper abzuschrecken. Es war eine Machtdemonstration und eine Demonstration der Tatsache, dass wir beobachtet werden. Und man muss leider sagen, dass diese Abschreckungsmaßnahme bei Scholz offenkundig funktioniert hat.

Wir müssen nun natürlich sehen, wie wir als Koalition bei einem der wichtigsten Themen dieser Zeit, nämlich dem Umgang mit Putins Krieg und seinen Drohungen gegenüber uns und unseren Partnern einen gemeinsamen Umgang finden. Teile der SPD scheinen aber leider weiterhin zu glauben, dass man den Konflikt beenden kann, ohne dass sich die Ukraine erfolgreich verteidigt. Dabei hat Putin in den letzten Jahren auf Zurückhaltung nur mit immer mehr Aggression reagiert. Mir ist schleierhaft, wie man Putin ohne militärischen Druck an den Verhandlungstisch zwingen will. Mir fehlt dazu eine verantwortungsethische Debatte in der Koalition jenseits parteipolitischer Interessen.

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